Der Winter, an dem James Bond am Schilthorn weilte

Der Winter, an dem James Bond am Schilthorn weilte.

Nur bei Schönwetter fahre er heute noch Ski, sagt Walter Inäbnit, ehemaliger Bergführer und Skilehrer aus Grindelwald, mit einem breiten Lächeln, das langsam zum Lachen wird.

„Ohne zu prahlen: Die Eleganz ist noch immer da, auch wenn ich damals wesentlich schmaler war.“ Er trägt eine seiner alten rot-weißen Skijacken die ihn als offiziellen Skilehrer auswiesen: „Mit der bist du ja noch schöner!“, wie eine Kundin jenes Sportladens bemerkt, in dem wir ihn zum Rückblick auf die letzten 60 Jahre treffen. Er wird uns erzählen, dass er in den 1950er-Jahren auf allen Schanzen der Schweiz gesprungen ist. Er wird sich an den James-Bond-Dreh von 1969 erinnern, bei dem er als Stuntman über Gletscherspalten gesprungen ist, und auch daran, dass dort viele hübsche Mädchen am Set waren. Er wird sich ein wenig über das schnelle Tempo von heute beschweren, und dann wieder zu Schwärmereien über Jungfrau, Eiger und Mönch wechseln. Aber zuerst will er mal eine Tasse Kaffee trinken.

Impressionen aus der Vergangenheit

Walter Inäbnit ist ein Urgestein der Berge, ein „31er“, wie er sagt, demnach bald 85 Jahre alt. In Grindelwald kennt er jeden Hügel, jedes Joch und jede Geschichte, die es wert ist, erzählt zu werden. Zum Beispiel wie vor 75 Jahren das Hotel Bär – der Bärplatz im Herzen des Eigerdorfs erinnert heute noch daran – abgebrannt ist: „Ich bin damals als 10-Jähriger am Fenster gestanden und habe den Brand gesehen – angeblich war eine Zigarette daran Schuld, aber das ist nicht erwiesen.“

Mit Anfang 20 machte er die Skilehrerschule und Ausbildung zum Bergführer, „dann wurde ich zum Skispringen eingeladen, auf allen Schanzen der Schweiz. Ich bin gut gesprungen, das darf ich sagen“, so Walter Inäbnit. Das Lauberhornrennen, das dieses Jahr zum 86. Mal stattfindet, ist er drei Mal gefahren, „da bin ich nicht Letzter geworden, aber auch nicht Erster.“ Fleißig war er, vielleicht sogar umtriebig, „ich war auch am Sonntag nicht zu faul, um Stunden zu geben“. Manche seiner Gäste sind über Jahre und Jahrzehnte zum Skifahren gekommen, „mit einem Gast bin ich 29 Jahre lang, Jahr für Jahr, gefahren“. Die Skischule, für die er gearbeitet hat, hatte zwar nur kleine Räumlichkeiten, „aber es hat sich rentiert und wir waren zufrieden, auch wenn wir untereinander konkurriert haben“, sagt er und lacht.

„James Bond konnte gar nicht Skifahren“

Es gibt nur wenige, die so nah dran waren, als das Schilthorn, mit 2.970 Metern der höchste Gipfel der Berner Voralpen, 1968/69 zum Drehort des James-Bond-Films „Im Geheimdienst Ihrer Majestät“ wurde – übrigens der einzige James Bond mit dem Australier George Lazenby in der Hauptrolle, „der gar nicht skifahren konnte und vom deutschen Kombinationsweltmeister Luggi Leitner gedoubelt wurde“, wie Walter Inäbnit weiß. Ein lieber Kollege war der Chef der Skifahrer, die beim Film mitwirkten, – und so wurde auch Walter Inäbnit als Stuntman und Helfer engagiert: „Wir waren den ganzen Winter lang beim Film, fünfeinhalb Monate. Wir sind durch die Wälder gefahren und über die Gletscherspalten gesprungen, dabei wurden wir von unten gefilmt. Und natürlich haben wir überall mitgeholfen, beim Tragen, Aufstellen und so weiter.“ Da am Schilthorn zu wenig Schnee für die geplanten Verfolgungsjagd-Szenen lag, verbrachte die Crew einige Wochen auf der Mutthornhütte – „wir arbeiteten von Freitag bis Sonntag. Samstags hatten wir frei – da bin ich immer mit zwei Kollegen nach Hause, während andere in Mürren geblieben sind und das Geld versoffen haben. Die hatten im Frühjahr dann weniger als im Herbst“, erinnert sich der ehemalige Bergführer. Und lacht.

007: Ausnahmezustand in Mürren

Dass viele Kollegen ihr Geld gleich in die Pflege der neuen Kontakte investierten, ist nachvollziehbar: Mürren, ein 500-Seelen-Dorf in den Schweizer Alpen, wurde von einem Tag auf den anderen von circa 180 Crewmitgliedern heimgesucht, die ein halbes Jahr bleiben sollten – ein Ausnahmezustand, der dem Dorf auch einen neuen Kirchturm bescherte, um die Vorstellung eines typischen Schweizer Bergdörflis noch besser zu erfüllen. Auch das Drehrestaurant am Schilthorn, das sich in 45 Minuten einmal um die eigene Achse dreht und dabei den Blick auf 200 Gipfel freilegt, während seine Gäste James-Bond-Champagnerfrühstück oder Bratwurstschnecke mit Zwiebelsauce genießen, wurde damals extra für den Film gebaut. Seit 2013 findet man vor Ort auch eine Ausstellung zum Film und einen „007 Walk of Fame“. Die Schilthornbahn, die damals die Crew hinauf- und hinuntertransportiert hat („Mit der sind immer die vielen hübschen Mädchen gefahren, die beim Dreh dabei waren.“), tut das heute mit TouristInnen und James-Bond-Fans. Und vielleicht fährt auch Walter Inäbnit hin und wieder auf den Gipfel, ganz gemütlich.

Grindelwald lieb’ich..

Der ehemalige Skilehrer hat noch bis vor zwei Jahren unterrichtet, heute fährt er nur noch, wenn die Sonne scheint. „Wir fahren nicht zu wild, setzen uns immer wieder in die Sonne, dann gehen wir wieder ein Bier trinken.“ Über das Tempo von heute kann er nur den Kopf schütteln: „Damals sind wir viel länger am Hang gewesen und haben geübt. Heute wollen sie schon am zweiten Tag mit den Anfängern zur Scheidegg, wobei sie doch noch gar nichts können. Das ist falsch! Das ist zu schnell und zu früh“, so Walter Inäbnit. Auch wenn er nicht mehr unterrichtet, so strahlt er dennoch eine Art sympathische Autorität aus. Schließlich geht es um das Metier, das er sechs Jahrzehnte lang ausgeübt hat – in den Bergen, die seine Heimat sind. „Grindelwald lieb‘ ich. Ich bin immer hier gewesen und möchte mit keinem Ort tauschen“, sagt er abschließend. Und bestellt noch eine Tasse Kaffee.

Text: Martha Miklin / friendship.is
Fotos: Heiko Mandl / friendship.is
Quelle: bestofthealps.com